Abbas Akhavan -

Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser

Abbas Akhavan zählt zu den aufstrebenden Künstlern in Kanada und zu einer Generation Kunst schaffender, die sich in ihren ortsspezifischen, oft ephemeren Arbeiten auf gesellschaftliche Themen fokussiert. Im Museum Villa Stuck zeigt der 1977 in Teheran geborene Akhavan seine erste große Einzelausstellung, die ältere Arbeiten mit speziell für die Ausstellung entstandenen verbindet. Der Künstler beschäftigt sich in diesen meist installativen Werken mit Themenfeldern, die um Zerstörung und Ausgrenzung, aber auch um den Akt des Bewahrens und der Wiederherstellung kreisen.

Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser
Abbas Akhavan. Museum Villa Stuck, Foto: Jann Averwerser

Die Besucherinnen und Besucher betreten das Ateliergebäude, das Franz von Stuck 1914/15 erbaut hat, und sind sofort mit einer Barriere konfrontiert. Untitled Garden (2012/2017), eine Hecke aus Thuja occidentalis brabant, zwingt zu einem Umweg. Die Hecke, wie sie im Stadtbild oder im Vorort als Markierung von privatem oder öffentlichem Raum eingesetzt wird, erschwert den Zutritt, sie grenzt aus. Die Thuja, der immergrüne Lebensbaum, hat eine eigene Geschichte des Kolonialismus: Heimisch im östlichen Teil Kanadas war sie Handelsware zwischen Großbritannien und seiner Kolonie Kanada; sie wurde schon im 16. Jahrhundert verwendet, um privates Eigentum zu kennzeichnen. Der vielschichtige Einsatz der Pflanze beschreibt Akhavans künstlerische Geste: aus dem häuslichen Umfeld bekannte Objekte versetzt er in den Ausstellungsraum, dadurch verschieben sich die Bereiche von Innen und Außen. Die serielle Reihe der Pflanzen verwendet der Künstler, um historische Strategien zur Auszeichnung privaten Eigentums mit der Partizipation des Betrachters zu verbinden; dieser fühlt sich womöglich als Eindringling.

Für seine Ausstellung lässt Akhavan die Spuren der vorangegangenen Ausstellung sichtbar werden: Die Wände sind nicht perfekt und unrenoviert, er schaltet die Klimaanlage ab, zugebaute Fenster werden geöffnet, Frischluft und Licht von Außen zirkulieren in den eigentlich hermetisch abgeschlossenen Räumen. Akhavan fragt dadurch nach den Grenzen der musealen Aufgaben: Sind die gängigen Methoden des Bewahrens noch einzuhalten und sind diese zeitgemäß?

Seine Werke bezeichnet Akhavan meist als Studien (studies) oder als Variationen (variations), sie sind konzeptuell angelegt und zeigen an, dass sie Teil eines kreativen Prozesses sind, der noch nicht abgeschlossen ist. Diese Überlegungen visualisiert der Künstler in Objekten, die sich auf Natur und die vier Elemente beziehen: Feuer, Wasser, Erde oder Luft, Pflanzen oder Tiere werden zu elementaren Gestaltungsein heiten.

Dem Publikum der Villa Stuck ist Akhavan durch seine Teilnahme an der Ausstellung Common Grounds im Jahr 2015 bekannt. Er zeigte damals Study for a Hanging Garden (2013), eine raumfüllende Installation mit Bronzeabgüssen von Pflanzen, die nur zwischen Euphrat und Tigris wachsen und durch den Irakkrieg sowie die derzeit stattfindenden Kriegshandlungen des IS vom Aussterben bedroht sind.

Akhavans Arbeiten umfassen Skulptur, Installation, Zeichnung, Video sowie Performance. Aufgrund von Aufenthalten in verschiedenen Stipendienprogrammen und ohne Ateliertätigkeit und der damit verbun denen konstanten Produktion von Werken rückt der Anlass, die Ausstellung selbst, ins Zentrum seiner Kunstproduktion. Akhavan (geb. 1977 in Teheran, lebt und arbeitet in Toronto) ist in zahlreichen Ausstellungen vertreten, darunter Einzelausstellungen in The Delfina Foundation, London (2012); Mercer Union, Toronto (2015); FLORA, Bogota (2016) sowie SALT Galata, Istanbul (2017).

Zur Ausstellung

Die Aufhebung von Innen- und Außenraum geht in Akhavans künstlerischer Praxis einher mit Fragen nach Gastfreundschaft (hospitality) und Feindseligkeit (hostility), er macht die Grenzezwischen Inklusion und Exklusion sichtbar. Durch das Pflanzen einer Hecke im Ausstellungsraum wird dies ebenso spürbar, wie durch ein Deckengemälde, das die zerstörerische Kraft eines Feuers beschreibt, welches sich in Rauchspuren an der Decke abbildet. Ein Fragment der Löwenkralle der assyrischen Gottheit Lamassu formt der Künstler aus Erde.

Das Blaue Schild, das die UNESCO im Jahr 1954 entwickelte, um erhaltenswerte Kulturdenkmäler zu kennzeichnen und damit in Zeiten des Krieges zu schützen – auch an der Fassade der Villa Stuck findet sich dieses Schild – wird vom Künstler vergrößert und auf die Wand gemalt, von dort ausgeschnitten, so dass eine Lücke sichtbar ist. Das ausgeschnittene Schild selbst ist auf einem Balkon der Villa Stuck zu sehen und damit nur aus der Luft. Akhavan bezieht sich mit Study for a Blue Shield (2010/2017) auf die drohende Bombardierung des Irak Museums durch US-Streitkräfte im Jahr 2003. Die dortigen Angestellten malten das Blaue Schild mit Farbe auf das Dach, um Luftangriffe zu verhindern.

Eines der Hauptwerke ist eine für die Ausstellung neu konzipierte Skulptur Variations on Ghost (2017). Lamassu ist der Name assyrischer Gottheiten, die an Eingängen von Tempeln als Wachfiguren aufgestellt wurden. Die Mischgestalt mit dem Körper eines Löwen (oder Stiers), mit Adlerflügeln und menschlichem Kopf sollte Kraft, Intelligenz und Wendigkeit verkörpern. Eine bedeutsame Lamassu-Skulptur stand beispielsweise im Mossul-Museum und wurde durch die Kriegshandlungen des sogenannten »Islamischen Staates« im Februar 2015 zerstört. Aufzeichnungen der Zerstörung wurden medial verbreitet und belegen diesen Bildersturm. Das Fragment der Kralle der assyrischen Gottheit wird in der Ausstellung reproduziert. Akhavan stellt es nicht in Stein her, sondern verwendet die Methode des »earth ramming«, eine Technik, in der Erde mit Wasser vermischt wird und durch Verdichtung härtet. Der vergängliche Charakter des Kunstwerks steht dem Anspruch des Bewahrens der zerstörten Skulptur gegenüber. In den Worten Akhavans ist es ein verletzliches, gegenwärtiges, organisches Werk (»a vulnerable / present / organic piece«).

Im Kuppelsaal der Villa Stuck versinnbildlicht das monumentales Deckengemälde Study for a Painting (2017) die Zerstörung durch Feuer, das scheinbar außerhalb des Museums wütete. Die Spuren dieses Feuers, Rauch und Ruß, dringen durch die geöffneten Fenster ein, setzen sich an der Kuppel fest, an manchen Stellen heller, an anderen dunkler. Die Tradition von Deckenfresken, der Blick in himmlische Sphären, die von Heiligen, Engel und Putten bevölkert sind, ist für Akhavan Referenz. Doch steht der schwarze Ruß nicht nur für die Zerstörung durch ein vernichtendes Feuer, die Hölle, sondern für ihn folgt dem Brand Regeneration und neues Leben. Akhavan fragt auch nach der Aufgabe und der Verantwortung des Museums. Ausstellen, Vermitteln und Bewahren sind Entscheidungen darüber, was und wovor es geschützt wird. In Akhavans Worten: Das Museum kann zum Zufluchtsort und Schutzraum werden (»The museum can also become a refuge and shelter.«). Wie das Museum selbst, sind Vitrinen und Kühlschränke, die hier mit Blumen oder Sandsäcken bestückt sind, Behältnisse des Bewahrens vor Zerstörung, vor Vergänglichkeit.

Pflanzen und Tiere stehen bei Akhavan für das menschliche Dasein. Das Fragment von Lamassu stellt eine Löwenklaue dar und verweist damit auf ein großes symbolisches Tier der Macht, Alchemie und Aufklärung. Wie der Löwe sind andere Tiere in der Ausstellung Sinnbilder für Verletzung und Missbrauch. Die Bandagen des Nashorns, dessen Horn abgesägt wurde, zeigen gleichsam Grausamkeit und Hilfsbereitschaft des Menschen. Das Hinnehmen des Aussterbens einer Tierart schwingt im Titel If the first metaphor was animal (2017) mit. Der Schrei der Esel, den sie bei Gefahr zur gegenseitigen Warnung einsetzen, wird in der Arbeit Bray for Cello (2017) zum Musikstück für ein Cello.

In den Künstlergarten der Villa Stuck setzt Akhavan die neue Skulptur For the Birds (2017), welche in Technik und Erscheinung Stucks neun Hermen mit den Porträts antiker Philosophen und Persönlichkeiten ähnelt. Das Gesicht dieser Gestalt ist jedoch nicht identifizierbar, da der Protagonist die Taube ist, die auf dem Kopf der Skulptur sitzt. Wasser, ein von Akhavan oft in seinen Werken verwendetes Element, tropft stetig in das Becken des Fountain (2017) auf der Terrasse des Künstlergartens.

Akhavan schafft Metaphern und Sinnbilder, die zur Reflexion über Strukturen und Systeme, die Machtverhältnisse einschreiben, anregen. Dabei spielt er mit der Wahrnehmung und Erwartung des Betrachters. Oft muten seine Werke an, als wären sie dem realen Leben entsprungen. Dem Künstler gelingt es, in seinen fragilen Werken verschiedene Bedeutungsebenen zu schichten, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Sie werfen Fragen auf, die sich mit gesellschaftlichen Strukturen, Vergänglichkeit und Wertvorstellungen beschäftigen.

Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im DISTANZ Verlag mit einem Vorwort von Michael Buhrs und Verena Hein, Beiträgen von Burcu Dogramaci (Professorin mit Schwerpunkt Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart an der LMU München), Vassilis Oikonomopoulos (Assistant Curator, Collections International Art, Tate Modern) sowie einem Gespräch zwischen Abbas Akhavan und Verena Hein.

Installationsfotografien: Jann Averwerser, Gestaltung: Anne Stock, 92 Seiten, deutsch/englisch
ISBN 978-3-95476-206-4