Carlos GaraicoaUnvollendete Ordnung (Orden Inconcluso) -

Carlos Garaicoa: Portafolio, 2013, Courtesy the artist
Carlos Garaicoa: Portafolio, 2013, Courtesy the artist

Das Museum Villa Stuck zeigt die erste umfassende Einzelausstellung des kubanischen Künstlers Carlos Garaicoa im deutschsprachigen Raum. Das Scheitern politischer Ideale äußert sich für den kubanischen Künstler Carlos Garacoia am deutlichsten in der Architektur. Seit Anfang der 1990er-Jahre beschäftigt sich Garaicoa mit dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Wandel als Folge der Geschichte des 20. Jahrhunderts. In seiner Heimatstadt Havanna und in internationalen Projekten verfolgt er den Wandel des städtischen Raums als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Architektur und Urbanistik sind die Themen, denen sein Hauptaugenmerk gilt. Mit Fotoserien und Installationen schafft er eine kritische Archäologie der Städte. Orden Inconcluso (Unvollendete Ordnung) ist das erste Projekt, das sich mit den beiden Lebensräumen befasst, die der Künstler unmittelbar aus seiner persönlichen Erfahrung kennt: auf der einen Seite sein Heimatland Kuba, das durch Widersprüche zwischen gesellschaftlichen Realitäten und utopischen Hoffnungen gekennzeichnet ist, auf der anderen Seite ein südeuropäisches Land wie Spanien mit seiner Hauptstadt Madrid, in dem sich das Ende der Utopie aus der entgegengesetzten Perspektive darstellt, nämlich der einer spätkapitalistischen Gesellschaft, in der das Prinzip der Sozialfürsorge vorherrscht.

Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling
Installationsansicht Museum Villa Stuck, Foto: Katrin Schilling

Die Ausstellung will einen konzeptuellen Bogen über die letzten Jahrzehnte von Carlos Garaicoas Schaffen schlagen. Sie versammelt ausgewählte Werke, die sich mit Wirtschaft und Architektur im Sinne von Macht, Kontrolle und Utopie auseinandersetzen. Darüber hinaus bietet sie Gelegenheit zur Begegnung mit einigen projektspezifischen Werken, welche die Intention des Künstlers zeigen, eine Verbindung zwischen den verschiedenen von ihm erlebten politischen und wirtschaftlichen Realitäten herzustellen. Erfahrungen und Perspektiven einer im Aufbruch und Aufbau befindlichen Welt werden Reflexionen aus einer europäisch desillusionierten Sicht auf bereits erfolgte Entwicklungen gegenüber gestellt.

Carlos Garaicoa (geboren 1967 in Havanna) ist eine Schlüsselfigur unter den lateinamerikanischen Künstlern der 1990er-Jahre. Sowohl in Kuba als auch auf internationaler Ebene ist er eine Bezugsgröße, wenn es darum geht, den künstlerischen Diskurs über die in den 1960er Jahren einsetzende Globalisierung kubanischer Kunst zu verstehen. Garaicoa lebt seit fast neun Jahren in Madrid und hat sowohl hier als auch in Havanna ein Atelier. Er nahm an zahlreichen internationalen Ausstellungen teil, z.B. documenta XI (2002), Biennale in Venedig (2005/ 2009) und 3. Guangzhou Triennale (2008).

Zur Ausstellung

Die Ausstellung, die Fotografie, Installationen und Objekte enthält, kann als eine Analyse der politischen und sozialen Realitäten in Spanien und Kuba gelesen werden. In den ausgewählten Arbeiten beschäftigt sich Carlos Garaicoa mit Themen wie Wirtschaft, Architektur, Macht, Kontrolle und Utopie.

Den Auftakt der Ausstellung bilden acht großformatige Diptychen mit dem Titel Cerámicas porno-indignadas (2012-14). In dieser Serie bezieht sich der Künstler auf geflieste Werbetafeln aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert an Apotheken, Lebensmittelgeschäften oder Heimwerkermärkten in Madrid. Durch die Überarbeitung der Bilder und Texte und deren Aktualisierung auf das heutige Geschehen und gleichzeitige Ironisierung schafft Garaicoa ein Abbild des urbanen Lebensgefühls in Zeiten der allgegenwärtigen Krise in Südeuropa.

Auf dem gleichen Stockwerk ist die Arbeit Las Joyas de la Corona (2009) zu sehen, die Kronjuwelen. Auf acht Stelen zeigt Garaicoa Miniaturmodelle in Silber von Gebäuden staatlicher Unterdrückung, Überwachung und Kontrolle, darunter die Hauptquartiere der Stasi und des KGB, das Pentagon und die Guantanamo Bay Naval Base, das Gefangenenlager der US-Armee in der gleichnamigen Bucht in Kuba. Über die Arbeit sagt der Künstler selbst: „Las Joyas de la Corona habe ich mit Bezug auf zwei Zielgruppen konzipiert: jene Menschen, die unter widersprüchlichen politischen Systemen leiden, dort also wo die Menschenrechte offensichtlich unterdrückt werden, und jene, die in einem System leben, das diese Widersprüche augenscheinlich überwunden hat, wie im Fall von Europa. Es bleibt jedoch die Frage, ob es die sogenannten "zivilisierten" Gesellschaften wirklich geschafft haben, Zwang, Folter und Elend durch staatlichen Einfluss auf den Menschen zu überwinden. Viele meiner Arbeiten stellen genau diese Frage. Ohne zu belehren oder zu moralisieren, bemühe ich mich, die Dringlichkeit aufzuzeigen für eine Humanisierung unserer Gesellschaften. Aus dieser Sicht heraus sind Las Joyas de la Corona ein effektives Mittel in drei Richtungen: die einen zu schimpfen, anderen eine Lektion zu erteilen und wieder andere in die Defensive zu drängen. Die Arbeit ist nicht als Akt eines moralischen Zwangs gemeint, sondern lediglich als Beweis für unsere Un-Zivilisation.“

Im Obergeschoss des Ateliergebäudes sind mehrere Werke von Carlos Garaicoa zu sehen, die sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Raum, zwischen Gesellschaft und Architektur beschäftigen. Es el cuerpo humano igual al cuerpo social? (Ist der menschliche Körper gleich dem sozialen Körper?), 2002, zeigt Architektur als modernes Werkzeug, ebendiesen sozialen Körper zu disziplinieren. In ähnlicher Weise argumentieren weitere Arbeiten wie Edificio Público como Ágora Griega (Öffentliches Gebäude als griechische Agora), 2002, und Campus o la Babel del Conocimiento (Campus oder das Babel des Wissens), 2002-4.

Im letzten Raum zeigen zwei Repliken aus massivem Gold in Miniaturformat die Deutsche Bundesbank, Saving The Safe (Bundesbank), 2013, und die Nationalbank von Spanien, Saving The Safe (Banco de España), 2014. Beide Modelle sind in Safes untergebracht und unter ständiger Aufsicht und Kontrolle. Unweit der Miniatur-Bankgebäude und aus dem gleichen kostbaren Material ist die Arbeit Portafolio, 2013, zu sehen, acht Goldplatten, die an der Wand hängen, und sich in Symbolen und Zeichen wie auch Ausrufen auf Ereignisse beziehen, in denen Bürger ihrer Angst und ihrem Widerstand gegen staatliche Kontrolle und Zwang Ausdruck verleihen.

Darüber hinaus zeigt die Aussstellung die Arbeiten Retrato (Europa), 2006, Noticias Recientes (España II), 2007, und Entr’acte (après René Clair), 2014, sowie eine Reihe von neuen Arbeiten, in denen Garaicoa auf staatliche Symbole, wie sie zum Beispiel auf Briefmarken auftauchen, hinsichtlich ihrer historischen Durchlässigkeit und Reproduzierbarkeit in unterschiedlichen politischen Kontexten eingeht.

Katalog

Zur Ausstellung ist ein Katalog in englischer und spanischer Sprache erschienen, mit Beiträgen von Agustín Pérez Rubio, Iván de la Nuez sowie einem Gespräch zwischen dem Künstler und Suset Sánchez.

Carlos Garaicoa. Orden inconcluso, 2015, Madrid, Hardcover, 227 Seiten, englisch/spanisch, ISBN 978-84-451-3510-5