Die Ausstellung wurde organisiert in Kooperation mit der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien und wird großzügig unterstützt von den Wittmann Möbelwerkstätten GmbH, Etsdorf/Kamp.
Frederick J. Kiesler (geboren 1890 in Czernowitz, gestorben 1965 in New York) ist eine der großen österreichisch-amerikanischen Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Als Theaterkünstler, Architekt, Designer, Maler, Bildhauer und Kunsttheoretiker hatte er sich die Überwindung der Grenze zwischen Kunst und Leben zum Ziel gesetzt. Auf dem Experimentierfeld des Theaters erprobte er eine Vielfalt von Möglichkeiten, die neuen geistigen wie auch technisch-wissenschaftlichen und sozialen Bedingungen des Menschen in ein theatralisches Gesamtkunstwerk zu überführen.
Viele Facetten des künstlerischen Schaffens Frederick J. Kieslers wurden nach seinem Tod 1965 in New York über vier Jahrzehnte hinweg in großen, viel beachteten Ausstellungen auf internationaler Ebene vorgestellt. 1975 zeigte die Galerie nächst St. Stephan in Wien die erste umfassende Ausstellung zu Frederick Kiesler, der von österreichischen Künstlern und Architekten wie Oswald Oberhuber oder Hans Hollein verehrt wurde. 1989 folgte eine große Retrospektive im Whitney Museum of American Art in New York sowie 1996 die Ausstellung »Frederick Kiesler. Artiste – Architecte« im Centre Pompidou in Paris. Ein Jahr später zeigte das Witte de With in Rotterdam die Arbeiten von Kiesler. Zuletzt in Deutschland zu sehen war das Werk Frederick Kieslers im Frankfurter Museum für Moderne Kunst im Jahr 2002. Ausgestellt wurde es hier unter dem Titel »Art of this Century«, der sich auf die legendäre Ausstellung gleichen Namens bezieht, die Kiesler für Peggy Guggenheims 1942 neu gegründete Ausstellungsräume in New York gestaltet hatte. Ihr Galeriemuseum bestand aus vier Räumen und laut Peggy Guggenheims eigener Erinnerung habe Kiesler die Räume in origineller Weise gestaltet: »Bilder wurden nicht bloß gezeigt, sie wurden inszeniert«.
In den vorangegangenen Ausstellungen lag das Hauptaugenmerk zumeist ausschließlich auf Kieslers eigenwilligem Architekturkosmos, in dem zukünftige Bauformen visionär in Skizzen, Entwürfen und Modellen sowie Schriften und Manifesten festgehalten waren. Ein Aspekt seines Werkes hingegen wurde immer nur angedeutet: sein theatralisches Schaffen, insbesondere seine grandiosen, wegweisenden Theatervisionen, die er bis an sein Lebensende immer wieder neu entwarf und mit geradezu seherischer Gabe für eine zukünftige Generation in immer neuen Varianten formulierte.
Die Ausstellung zeigt alle Entwicklungsphasen und Höhepunkte im theatralischen Schaffen Kieslers, der seismographisch auf die Kunst- und Lebensströmungen seiner Zeit reagierte. Dabei wird sein Theaterkosmos mit Werken aus anderen Schaffensgebieten konfrontiert und in noch nie da gewesener Fülle vor Augen geführt: Von den »Elektromechanischen Kulissen« (Berlin 1923/24), mit denen Kiesler in der Ära des Konstruktivismus Paradigmatisches schuf, über seine genialen, zukunftsweisenden Theaterausstellungen in Wien (1924), Paris (1925) und New York (1926) bis hin zu seiner kühnen Vision einer »Raumbühne« (Wien 1924); von seiner in der Ära des amerikanischen Funktionalismus entwickelten Kinoarchitektur, dem »Film Guild Cinema« (1929), bis hin zu den funktionalistisch geprägten Entwürfen für ein Doppeltheater in Brooklyn (1926/27) und Woodstock (1931); von seinen Entwürfen für Sartres existentialistisch grundiertes Drama »No Exit« (1946) an einer New Yorker Off-Broadway-Bühne bis hin zu der in Paris 1925 entstandenen, später in New York weiter geführten Serie seiner »Endless« oder »Universal Theatres« (1959/1962); und schließlich wird die ganze Fülle seiner phantasievollen, surrealistischen Bühnenobjekte für Opern- und auch Ballettproduktionen der New Yorker Juilliard School of Music gezeigt, als deren langjähriger Ausstattungsdirektor (1933–1957) er bewiesen hat, dass er auch das Tagesgeschäft am Theater beherrschte.
Die Visionen eines der faszinierendsten Theaterutopisten des 20. Jahrhunderts in großer Materialfülle auszubreiten, ist das Ziel dieser Ausstellung, mit der das Museum Villa Stuck, nach Ausstellungen wie »Japan. Theater der Welt« (1998), erneut die Beziehung zwischen darstellender und bildender Kunst in den Mittelpunkt seines Interesses stellt.
Zur Ausstellung
Die nach immenser Vielfalt drängende Gestaltungskraft Kieslers, der seine Visionen, als echter Innovator der Kunst des 20. Jahrhunderts, auf alle Lebens- und Kunstbereiche erstrecken wollte und seinen Gestaltungsradius als erbitterter Feind eines überholten, einseitigen künstlerischen Spezialistentums ständig erweiterte, kann auf einen einzigen Generalnenner zurückgeführt werden: Der Antrieb, der alle Ideen und Projekte von Kiesler befeuert, ist ein theatralisches Moment. Um nur ein Beispiel dafür zu nennen, sei auf seine bekannteste Formschöpfung, sein »Endless House«, verwiesen. Dieses kann archaische Höhlenform, eine Art Urbehausung für den Menschen, aber auch Uterusform sein, voll tiefenpsychologischer Inhalte. Was es nicht sein will, ist eine rationale, technisch optimierte Zweckform, in der der Mensch nach ökonomischen, hygienischen und sozialen Vorgaben zweckdienlich untergebracht ist. In Kieslers »Endless House« sollen die archaischen Bedürfnisse, die jeder, auch der noch so zivilisierte Mensch in sich trägt, befriedigt werden. Hier soll er Glück und Frieden finden. Sein mit derartigen Inhalten und Verheißungen aufgeladenes »Endless House« repräsentiert somit eine eminent theatralische Form, in der das Leben der Bewohner nach dramaturgischen Zielvorgaben funktioniert. Kiesler, der große Theatraliker, der seine Karriere im Theaterbetrieb der 1920er Jahre begann, sollte alle Gestaltungsbereiche, derer er sich im Laufe seines Lebens annahm, wie Architektur, Design, Malerei oder Skulptur, mit seinen phantasievollen, nie erlahmenden theatralischen Gesten bereichern, neu akzentuieren und revolutionieren.
Wie ein roter Faden zieht sich das theatralische Schaffen Kieslers durch sein vielfältiges Werk. Das Theater begleitet Kiesler sein Leben lang, es ist seine persönlichste Schaffensquelle, aus der er auch für andere, theaterfremde Gestaltungsbereiche Anregungen schöpft. In der Ausstellung wird die enge Symbiose Kieslers mit dem Theater zum Hauptthema. Zum ersten Mal ist der Focus auf Kieslers Theaterarbeiten gerichtet – auf seine innovativen Leistungen auf dem Gebiet der Theaterkunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gleichzeitig wird auf die jeweiligen »turning points« verwiesen, an denen eine theaterbezogene Arbeit plötzlich übergeht in eine Werkgruppe, die mit Theater nichts mehr zu tun hat. So mutiert zum Beispiel seine Idee der »Raumbühne« zur Vision einer im Raum schwebenden »Raumstadt« (1925). Und 1933 taucht im »Space House«, einem utopisch anmutenden Hausprojekt Kieslers, der Begriff wieder auf. Auch in vielen seiner Ausstellungsgestaltungen, die er im Laufe seines Lebens für New Yorker Galerien schuf, zeigt sich seine szenische Gestaltungskraft. So zum Beispiel in der surrealistisch inszenierten Ausstellung »Blood Flames 1947« für die Hugo Gallery, die als Beispiel seines extrem theatralischen Zugangs zur Ausstellungsinszenierung an Hand von Entwürfen in der Ausstellung gezeigt wird. Kieslers wohl legendärste und innovativste Ausstellungsgestaltung, Peggy Guggenheims Galeriemuseum »Art of this Century«, New York 1942, fand wiederum Niederschlag in Kieslers »Space Set«, einem System aus konkaven und konvexen Elementen, das er 1948 als universelles Ausstattungssystem für die Juilliard School of Music kreierte.
Ein in dieser Ausstellung zum ersten Mal gezeigtes Arbeitsfeld Kieslers umfasst drei Storyboards, die er in den 40er und 50er Jahren zeichnete bzw. schrieb. Für die beiden surrealistisch geprägten Filmdrehbücher »Ballet Massacre d’Art« und »Aphrodite’s Left Turn« fand sich damals kein Produzent. In seinem gleichfalls nicht realisierten Storyboard zum Film »World House Galleries« – Kiesler entwarf 1957 gemeinsam mit seinem Partner Armand Bartos die Innenarchitektur der »World House Galleries« – entspinnt sich ein imaginärer Dialog zwischen einem Architekten und einem Galeriebesucher, der sich über die gebogenen Wände und Decken dieser Galerie nur wundern kann. Im Laufe des Dialogs entfaltet sich das Kieslersche Architekturuniversum in seiner gesamten Größe und Originalität.
Als eine der frühen Expertinnen, die sich mit dem Schaffen Frederick Kieslers beschäftigt hat, wurde Dr. Barbara Lesák 2009 durch das Österreichische Theatermuseum mit der Konzeption der aktuellen Ausstellung beauftragt. Vor allem von Kieslers Theaterschaffen fasziniert, setzte sie ihren kuratorischen Schwerpunkt auf sein Theateroeuvre.
Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Christian Brandstätter Verlag, herausgegeben von Barbara Lesák und Thomas Trabitsch, mit Beiträgen von Dieter Bogner, Jeni Dahmus, Maria Auxiliadora Gálvez Pérez, Barbara Lesák, Laura M. McGuire, Monika Pesser und Gerd Zillner. Das Buch umfasst ca. 256 Seiten und enthält zahlreiche Abbildungen.
ISBN 978-3-85033-682-6