Das Museum Villa Stuck präsentiert, in Zusammenarbeit mit der Familie von Gunter Sachs und dem Institut für Kulturaustausch in Tübingen, die wichtigsten Werke aus der immensen Sammlung von Gunter Sachs. Sie dokumentiert die ungezähmte Sammelleidenschaft, die spätestens 1960 in Gunter Sachs entflammte, dem Jahr, in dem Yves Klein mit Arman, Jean Tinguely, Raymond Hains und anderen Künstlern in Paris die Gruppe des »Nouveau Réalisme« begründete und Sachs Jean Fautrier, einen der wichtigsten Vertreter des »Informel«, kennenlernte.
Gunter Sachs verstarb im Mai 2011 völlig unerwartet. Als Fotograf, Unternehmer und Kunstsammler verfolgte er, wie nur Wenige, die Wandlungen der Kunst in den letzten fünfzig Jahren, erlebte sie aus unmittelbarer Nähe und hat sie entscheidend mitgeprägt. Er war Kunstförderer und Galerist, machte sich als Dokumentarfilmer und Fotograf einen Namen und er sammelte moderne Kunst zu einer Zeit, als sich nur Wenige in Deutschland dafür interessierten. Die von ihm hinterlassene Kunstsammlung stellt heute ein herausragendes kunsthistorisches Vermächtnis dar.
In der Ausstellung zu sehen sind Arbeiten aus Frankreich, beginnend mit Yves Tanguy und den Künstlern des »Nouveau Réalisme«, allen voran Yves Klein und Arman, bis hin zu René Magritte. Die Kunst des »Informel« wird anhand von Werken von Jean Fautrier, Georges Mathieu und Wols vorgeführt. Daneben sind spannende Einzelpositionen vertreten, wie zum Beispiel Lucio Fontana oder Joseph Kosuth. Eine Sektion der Ausstellung ist der Pop Art von Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Andy Warhol gewidmet; fünf Arbeiten, etwa von Banksy, stammen aus dem Bereich Graffiti, den Sachs seit den 1980er Jahren sammelte. In einer eigenen Abteilung sind frühe Fotografien von Andy Warhol sowie Fotografien von Andreas Feininger, Will McBride bis hin zu Thomas Ruff und Izima Kaoru.
Mit der Ausstellung schließt sich in besonderer Weise auch ein Kreis in der Verbindung zwischen Gunter Sachs und der Villa Stuck: Vom 8. September bis 20. Oktober 1967 zeigte nämlich das Modern Art Museum München e.V. ('MAM') die erste Ausstellung mit Werken der Sammlung Sachs in den Räumen der Villa Stuck. Arbeiten von Arman, Jean Fautrier, Yves Klein und Wols bildeten den Kern der Präsentation, ergänzt durch Werke von Francis Bacon, Giorgio de Chirico, Victor Brauner, Fontana, Roy Lichtenstein und Yves Tanguy. Das 'MAM' wollte der jungen, internationalen Kunstszene in Deutschland eine Plattform errichten – weg vom zaudernden, bewahrenden Kunstbetrieb, hin zu Umbruch und Wagnis.
Von 1967 bis 1972 fungierte Gunter Sachs zusammen mit Konstantin von Bayern als Präsident des 'MAM'. Weitere Hauptpersonen waren Wolfgang Christlieb, Jurist und Autor, sowie der Rechtsanwalt Claus Bastian. Dazu gesellte sich Christian Diener, Ausstellungsgestalter und früherer twen-Grafiker, der später über die Präsentation der Sammlung Gunter Sachs in der Villa Stuck sagte: »Sie sollte damals mehr sein als nur die Präsentation einiger irritierender zeitgenössischer Bilder, die es vorher noch kaum in Deutschland zu sehen gegeben hat; Gunter Sachs wollte die Ausstellung selbst in eine Art Kunstwerk verwandeln.« Das Museum wurde rasch zu einem stark frequentierten Treffpunkt für Künstler und Kunstinteressierte aus der ganzen Welt und zu einem Brückenkopf der Moderne in den 60er Jahren. Nur eines blieb den Enthusiasten des 'MAM' verwehrt: die Errichtung eines eigenen Ausstellungshauses für zeitgenössische Kunst scheiterte am Ende kurz vor den Olympischen Spielen 1972.
Zur Sammlung Gunter Sachs
Schön früh entwickelte Gunter Sachs einen Sinn für die Kunst und das Schöne. Über sein Elternhaus und die Familie wurde er bereits während seiner Kindheit und Jugend, die er ab 1935 in der Schweiz verbrachte, an die Welt der schönen Künste und das Sammeln herangeführt. Er las die Kunstbücher seiner Mutter, Elinor von Opel, und sammelte Tierbilder aus Zigarettenbeilagen. Im Alter von 16 Jahren tätigte er seinen ersten Ankauf, – einen Druck von Eugène Delacroix. Sein Interesse spannte sich in einem großen Bogen von der Faszination für die Ballettmädchen Edgar Degas' über die Blaue und Rosa Periode Picassos und den deutschen Expressionismus bis hin zu den Werken des Surrealismus. 1957, nach erfolgreich beendetem Studium, zog er als 22-Jähriger nach Paris. Für die Ausstattung seines exklusiven Appartements in der Avenue Foch wählte er Bilder aus, die seinem subjektiven Geschmack entsprachen, eine dem Zeitgeist entsprechende dekorative Ästhetik widerspiegelten und einen Hauch von Erotik im Genre Degas' und Jean-Gabriel Domergues' verströmten. Die Stadt Paris, damals Zentrum der europäischen Kunstwelt und noch geprägt vom Glanz der Belle Époque, schlug ihn, wie er später einmal sagte, »in ihren Bann und machte mich peu à peu zum bescheidenen Sammler.«
Dank seines regen Kontakts zur Pariser Gesellschaft und der beachtlichen Gewinne, die er als ehemaliger Mathematikstudent im Kartenspiel »Ecarté« erzielte, wurde es ihm bald möglich, sich der Kunst der großen Meister zuzuwenden: Er kaufte ein Werk von Picasso sowie Bilder der Surrealisten Victor Brauner und Max Ernst. Entscheidende Anreize für den Aufbau einer Kunstsammlung, die »das Beste aus zwei oder drei Kunstperioden« seiner Zeit umfassen sollte, lieferten schließlich direkte Kontakte zu bekannten und noch unbekannten Künstlern, die nicht selten zu lebenslangen Freunden werden sollten. In der Brasserie »La Coupole« auf dem Montparnasse, wichtiger Ort des kulturellen Austauschs, kam er in Berührung mit Künstlerpersönlichkeiten der Stunde: den »Nouveaux Réalistes« César, Arman und Yves Klein, einer Gruppierung um den Kunstkritiker Pierre Restany, die unter Verwendung neuer Techniken und Materialien, vor allem von Abfallprodukten und Plakatabrissen, die Demontage der erhabenen Künste proklamierte und ein neues Bild der Realität schaffen wollte.
Daneben sammelte Sachs Kunstwerke der Gruppierung »Informel«, einer Strömung der Abstraktion, die als parallele europäische Entwicklung zum Abstrakten Expressionismus in den USA zu sehen ist und ihre Ursprünge im Paris der 1940er und 1950er Jahre hat. Im »Informel« ist der Schaffensprozess einer unterbewusst gesteuerten Spontaneität untergeordnet und es besteht die Forderung nach Formlosigkeit. Das Teppichgeschäft von Samy Tarica, der für viele Kunstsammler als Berater tätig war, wurde für Gunter Sachs zu einer Brücke hin zu einem der bekanntesten Wegbereiter des »Informel«: Jean Fautrier, dessen Bilder zum Herzstück seiner Sammlung werden sollten. Neben Werken von Fautrier, – von den noch in traditioneller akademischer Manier ausgeführten Akten der Schwarzen Periode bis zu den Blättern aus seinem reifen Bilderzyklus der »Otages« aus den 1949er Jahren und darüber hinaus, erstand Sachs bei Tarica auch Werke der Surrealisten, darunter ein Gemälde von Max Ernst aus der Forêt-Serie.
So entstand in den Jahren von 1958 bis 1968 der Kern der Kunstsammlung von Gunter Sachs, in der die Vorreiter des »Informel«, Jean Fautrier, Wols und Hans Hartung inklusive dem Tachisten Mathieu gleichberechtigt stehen neben der Avantgarde der »Nouveaux Réalistes«, vertreten durch César Baldaccini, Arman, Yves Klein, Mimmo Rotella und Jean Tinguely. Daneben sind auch die Surrealisten zu finden, die Gunter Sachs seit seinen jungen Jahren faszinierten: Giorgio de Chirico und Salvador Dalí.
In den 1960er Jahren erkannte Gunter Sachs das revolutionäre Potential der amerikanischen Pop-Art. Sein Turmappartement im Palace-Hotel in St. Moritz ließ er von befreundeten Künstlern der Pop-Art wie etwa Tom Wesselmann, Andy Warhol, Allen Jones und Roy Lichtenstein ausstatten. 1974 trafen die von Warhol angefertigten Konterfeis von Gunter Sachs und seiner ehemaligen Frau Brigitte Bardot ein, die den Salon des Appartements schmücken sollten. Außerdem kamen in dieser Zeit weitere Arbeiten des »Nouveau Réalisme« hinzu wie zum Beispiel die Assemblage »Allegro Furioso« von Arman sowie surreale Gemälde von Magritte und de Chirico.
1972 eröffnete er mit der ersten umfangreichen Warhol-Ausstellung in Europa die von ihm selbst als »Galerie engagée« bezeichnete Galerie in der Milchstraße in Hamburg-Pöseldorf. Nachdem sich für Warhols Bilder keine Interessenten fanden, kaufte Sachs selbst einige davon, deren Wert sich nur wenige Jahre später ins Unermessliche steigern sollte. Sein Townhouse in Manhattan, das er 1987 gemeinsam mit dem italienischen Industriellen Gianni Agnelli erwarb, gestaltete er im langen Foyer als Galerie von 40 Schwarz-Weiß-Fotografien Warhols, die 1976 bis 1979 bei Partys der High-Society entstanden waren und unter dem Titel »Social Disease« bekannt sind. In seine Suite im Schlosshotel Velden am Wörthersee hielt das Phänomen der »Street-Art« Einzug. 2006 sprühten Siegfried von Koeding (»Dare«) und Ata Bozaci alias »Toast« ihre Pseudonyme auf die Wände seines Schweizer Appartements. Dabei ergänzten sich die Schriftzüge je nach Blickwinkel zu neuen Bildeinheiten. In den 2000er Jahren begann Sachs außerdem, in diversen New Yorker Galerien Graffitis auf Leinwänden zu erwerben: »Schon als Kind liebte ich Graffiti, ihre Kunst und Stärke, aber auch die Ahnung einer Gefahr, die sie auf mich ausströmten.«
So befinden wir uns heute vor einer der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst, – Zeugnis eines bewegten Lebens in einer bewegten Zeit, in der die Kunst neue Wege geht und die akademischen Fesseln aus vergangenen Zeiten sprengen will; eine Sammlung, die vom Mut eines Pioniers und dem grandiosen Auge eines Idealisten voller Passion und Leidenschaft berichtet, von Geselligkeit und Freundschaft, Glamour und Schick vergangener Jahrzehnte; eine Sammlung, in der die Trennung zwischen Kunst und Leben aufgehoben ist, entsprechend Gunter Sachs' Überzeugung, dass »Kunst dazu da ist, um mit ihr zu leben«, wie Sachs' ältester Sohn Rolf es in einem Interview über seinen Vater ausdrückt. Alles in allem ein einzigartiges Stück Zeitgeschichte.
(vgl. Otto Letze »Gunter Sachs – Ein Leben mit der Kunst« im Katalog zur Ausstellung)
Das Modern Art Museum in der Villa Stuck
Das Modern Art Museum München ('MAM') bezog im Sommer 1967 in der Villa Stuck Räume im zweiten Obergeschoss. Sie waren ausgerichtet Richtung Nordwesten, zum Friedensengel und zur Prinzregentenstraße und besaßen eine Fläche von circa 80 Quadratmetern. Im September 1967 eröffnete das 'MAM' in der Villa Stuck seine Pforten mit der Sammlung seines Präsidenten. Die Ausstellung »Sammlung Gunter Sachs« war für sechs Wochen zu sehen. Der Katalog listete 113 Arbeiten von 32 Künstlern auf. Ein Quartett aus »Nouveau Réalisme« und »Informel«, die Franzosen Arman, Fautrier und Klein, dazu Wols und Hartung, sie waren die herausragenden Künstler der Sammlung und damit auch der Präsentation in der Villa Stuck. In der Ausstellung der Sammlung Sachs fanden sich auch bedeutende Künstler der Moderne wie Bacon, de Chirico, Ernst, Lichtenstein und Magritte, dazu Werke von Künstlern wie Bissier, Kricke, Tobey, um nur drei zu nennen. Alles in allem war die Ausstellung geprägt durch die Kennerschaft, den Geschmack und die Leidenschaft von Gunter Sachs. Die Auswahl der Werke war nicht darauf angelegt herauszufordern, sie war stilsicher zusammengestellt.
Die Ausstellung wurde ein großer Erfolg. Eigens für die Vernissage gab es ein Happening des französischen Künstlers César. Zu den Gästen zählten u.a. SKH Konstantin von Bayern, Hubert Burda, Gunter Sachs sowie seine Frau Brigitte Bardot. Das Presseecho war enorm, die qualitätvolle Sammlung von Gunter Sachs in einer spektakulären Präsentation von Christian Diener über jede Kritik erhaben. Ein neuer Ort für die zeitgenössische Kunst in München war quasi über Nacht etabliert. Die spannende Frage würde sein, ob man das Niveau der ersten Austellung auf Dauer halten könnte.
Das 'MAM' verfolgte unter dem Leitsatz des » Musée engagé « das Ziel, Grenzen zu überwinden: Die Institution Museum, die Künstler und die Gesellschaft sollten gleichwertige Partner werden. Von 1967 bis 1970 zeigte das Modern Art Museum München ('MAM') ein sehr heterogenes Ausstellungs-programm. Zu den Ausstellungen zählten u.a. » Monsters, Beatles und Edelmann « (1968) mit Zeichnungen, Lithos, Plakaten und Entwürfen zum Beatles-Trickfilm » The Yellow Submarine « sowie.. » 4 junge Künstler. 4 Räume « (1968) mit dem ersten der Nebelräume von Gotthard Graubner.
Ende der 1960er Jahre waren die Entwicklung und die Präsentation zeitgenössischer Kunst in München eng an das Engagement von Privatpersonen gebunden. Neben den progressiven Galerien Friedrich & Dahlem sowie Thomas und einigen Aktionsräumen war das 'MAM' in der Villa Stuck ein bedeutender Ort für zeitgenössische Kunst. Im Anschluss an die Zeit in der Villa Stuck zeigte das 'MAM' 1971 und 1972 Ausstellungen in einer Art Super-Bubble – einer mit Luft aufgeblasenen Traglufthalle – auf dem Gelände der Neuen Pinakothek. Damit endete die Geschichte des 'MAM'. Das Ziel der Errichtung eines Museumsbaus für zeitgenössische Kunst in München konnte nicht verwirklicht werden.
Katalog
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Zur Ausstellung erscheint ein Buch im Hirmer Verlag, herausgegeben von Otto Letze und Michael Buhrs, mit Beiträgen von Michael Buhrs, Wilfried Dickhoff, Maria Espinosa, Rose-Maria Gropp, Otto Letze, Anita Kaps und Roland Wenninger. Auf ca. 160 Seiten enthält das Buch mehr als 100 Abbildungen, ISBN: 978-3-7774-5451-1.