MÜNCHEN! Stadt des Jugendstils -

Gertraud von Schnellenbühel: Kandelaber, 1910-13, Münchner Stadtmuseum
Gertraud von Schnellenbühel: Kandelaber, 1910-13, Münchner Stadtmuseum

Das langersehnte Jugendstilmuseum im Museum Villa Stuck wird am 3. März 2004 mit einem großangelegten Gemeinschaftsprojekt des Museums Villa Stuck und des Münchner Stadtmuseums eröffnet. 200 Meisterwerke der angewandten und freien Kunst, von denen einige in den vergangenen Jahrzehnten selten oder noch nie ausgestellt waren, werden in fünf verschiedenen Ausstellungen gezeigt. Zudem wird das Museum Villa Stuck erstmals Bestände seiner Jugendstil-Rara-Sammlung, Schenkung Amélie Ziersch, präsentieren.

Dank der intensiven Zusammenarbeit der beiden zur Landeshauptstadt München gehörenden Institutionen wird es nun möglich, die Glanzzeit Münchens als Stadt des Jugendstils in einer umfassenden Schau im Gesamtkunstwerk "Villa Stuck" zu präsentieren. Die Exponate stammen zum Großteil aus der hervorragenden Jugendstil-Sammlung des Münchner Stadtmuseums.

1896 erschien in München der erste Band der Zeitschrift "Jugend", die einer künstlerischen Reformbewe-gung den Namen geben sollte. Der Jugendstil bahnte Wege zum Aufbruch in die Moderne. Er war eine in München "gemeinsam geführte Stildiskussion" mit dem Ziel, alternative Prinzipien zur Überwindung historischer Konventionen zu entwickeln. Seine Intention ist, einen neuen Stil für das 20. Jahrhundert zu schaffen. Wichtigstes Anliegen der jungen Künstlergeneration um 1900 war, in modernen Gestaltungsweisen alle Äußerungen des Lebens im "neuen Stil" im Sinne eines Gesamtkunstwerks zu überformen und die Trennung zwischen freien und angewandten Künsten aufzuheben.

Das Projekt München! Stadt des Jugendstils wird vom Museum Villa Stuck unter der Leitung von Jo-Anne Birnie Danzker und dem Münchner Stadtmuseum unter der Leitung von Dr. Wolfgang Till gemeinsam erarbeitet.

Schönheit der Formen

4.3. - 31.5.2004
Textilien des Münchner Jugendstils

1896 zog im Münchner "Kunstsalon Littauer" eine Ausstellung mit 35 Stickereien, die von Hermann Obrist entworfen und von Berthe Ruchet in meisterhafter Sticktechnik ausgeführt waren, die Kunstwelt in ihren Bann. Durch diese Ausstellung, die auch in der "Arts and Crafts Exhibition Gallery" in London und weltweit große Resonanz erfuhr, errang die Stickerei als Kunstform um die Jahrhundertwende ganz neue Bedeutung. Gleichzeitig wurden funktionale Aspekte, wie Hygiene und der praktische Wert eines Textils, im Zuge der Lebensreformbewegung hervorgehoben. In Zeitschriften wie Deutsche Kunst und Dekoration und Dekorative Kunst nahm die künstlerische Stickerei einen angemessenen Platz ein. Die Ausstellung bietet die seltene Gelegenheit, unbekannte oder seit vielen Jahren nicht mehr gezeigte Textilien des Münchner Jugendstils zu sehen. Sie umfasst wegweisende Stickereien von Hermann Obrist, Margarethe von Brauchitsch, Fritz Schmoll von Eisenwerth und Herthe von Wersin, Web- und Druckstoffe von Richard Riemerschmid und Arbeiten anonymer Künstler. Alle Werke stammen aus der herausragenden Jugendstil-Textil-Sammlung des Münchner Stadtmuseums. Zu dieser Ausstellung erscheint ein vom Museum Villa Stuck und dem Münchner Stadtmuseum gemeinsam publiziertes Begleitheft.

Phantastische Erfindung

4.3. - 12.9.2004
Raumkunst des Münchner Jugendstils

Die Kunst des Jugendstils hat den Raum und seine Ausstattung ganz im Sinne eines Gesamtkunstwerks grundlegend neu konzipiert. Gemäß dem Ideal von Materialechtheit und konstruktionsbedingter Form entstand in München eine anspruchsvolle Möbelkunst. Ziel war die Einheitlichkeit des Raumes und die ästhetische Gesamtwirkung von Möbeln, Wandgestaltung und Ausstattungsgegenständen in Material und Ornamentik. Die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, 1897 von Künstlern in München gegründet, schufen erstmals organisierte Produktions- und Vertriebsformen für qualitativ hochwertige Möbel auf der Grundlage des künstlerischen Entwurfs. Die Ausstellung zeigt individuelle Künstlermöbel und Garnituren von August Endell, Bernhard Pankok und Hermann Obrist, die zunächst für den engen Zirkel dieser Künstlerfreunde und die wichtigsten Auftraggeber wie Carl Thieme und Henry von Heiseler geschaffen wurden. Alle Meisterwerke in der Ausstellung stammen aus den Sammlungen des Münchner Stadtmuseums.

Jugend!

4.3.2004 - 16.1.2005
Die Zeitschrift

Die Ausstellung ist der Zeitschrift gewidmet, die dem "Jugendstil" seit 1896 seinen Namen gibt. "Jugend", das Wort war Programm. 1896 erschien erstmals eine Zeitschrift in München, die mit ihrem radikal neuen Erscheinungsbild Erstaunen erregte: Von Woche zu Woche wechselte das Titelblatt, Seite für Seite brachte bunte und lebensvolle Formen der Graphik, poetische, belletristische, literarische und sogar musikalische Beiträge. Die vom Verleger Georg Hirth gegründete Zeitschrift propagierte nicht einen neuen einheitlichen Stil, sondern präsentierte verschiedenste Experimente und Vorschläge für neue Gestaltungsweisen des 20. Jahrhunderts. Nahezu alle Künstler des Münchner Jugendstils begannen hier ihre Laufbahn, fanden hier erstmals eine Öffentlichkeit. Aus dem Fundus der herausragenden Jugendstil-Rara-Sammlung, Schenkung Amélie Ziersch, werden Hunderte von Titelblättern der "Jugend" nach Künstler-Entwürfen gezeigt, die die Breite und Intensität der gemeinsam geführten Stildiskussion zeigen.

Von der Seele geformt

4.3.2004 - 16.1.2005
Protagonisten des Münchner Jugendstils

Der Kosmopolit Hermann Obrist kam 1894 aus Florenz nach München. Er entwickelte einen archaischen, dynamisch bestimmten Stil, den er für das kommende 20. Jahrhundert erdachte und der mit akademischen Konventionen brach. Das alleinige Motiv war die Natur, ihre Wuchsformen und die Bewegungslinien des Lebens. Obrists großes Vermögen gestattete ihm, Aufträge zu vergeben. Die Maler Bernhard Pankok und Richard Riemerschmid erhielten erste Aufträge. August Endell als Wahrnehmungspsychologe und Künstler stieß dazu und schuf theoretisch und praktisch erste assoziative, freie Formen, welche die Wirkung des Abstrakten als Prinzip herausstellten. Die Münchner Entwerfer organisierten sich 1897 in den Vereinigten Werkstätten, deren Absicht es war, den künstlerischen Entwurf ohne Abstriche in hoher Qualität zu verwirklichen und den Designer am Umsatz zu beteiligen.

Im Umkreis Obrists entstand eine private Künstlerschule, die seine Gestaltungsweise in Lehren umsetzte. Wilhelm von Debschitz organisierte diese erfolgreiche Schule, der Gertraud Schnellenbühel, Clara Trueb, Hans Schmithals u.a. angehörten. Die neue Bewegung in München zog eine Fülle von Künstlern in die Stadt, die einige Jahre hier arbeiteten, um dann an ähnlich organisierte Kunstgewerbeschulen in Deutschland zu gehen. Die Ausstellung zeigt Graphiken und Gemälde, Metall, Glas, Keramik und Möbel weiterer herausragender Künstler des Münchner Jugendstils, u. a. Peter Behrens, H. E. Berlepsch-Valendas, Julius Diez, Thomas Theodor Heine, Bruno Paul, Carl Georg von Reichenbach, Alois Riegel, Rudolf Rochga, Ignatius Taschner und Ludwig Vierthaler.

Stoff für Poesie

4.3.2004 - 16.1.2005
Nancy - Glas des Art Nouveau

Die französische Glaskunst wird häufig mit dem Jugendstil gleichgesetzt, zeigt aber eine grundsätzlich andere Art der Gestaltung. Glas war eines der bevorzugten Materialien des französischen Art Nouveau. Seine variable Form, die Möglichkeiten der Oberflächengestaltung und seine reiche Farbigkeit inspirierten zu technisch und künstlerisch virtuosen Gläsern, in denen die Künstler in Nancy wahre Meisterschaft errangen. Der Stil von Nancy machte um 1900 Schule. Gläser aus Nancy wurden Ende des 19. Jahrhunderts international gefeiert, sie waren in den Glaspalastausstellungen in München zu sehen und wurden in den deutschen Dependancen der Glasmanufakturen verkauft. Die Künstler der "École de Nancy" kehrten in ihrem Schaffensprozess zu einem botanisch genauen Studium der Natur zurück und setzten es in floralen Dekoren sowie in abstrakten Formen um. Sie mobilisierten dabei schöpferische und unternehmerische Kräfte, in denen die Kunst eine Allianz mit der Industrie einging. Die Ausstellung vereint bedeutende und selten gezeigte Meisterwerke der Glaskunst von Émile Gallé, Daum Frères, u.a. aus der Jugendstilsammlung des Museums Villa Stuck, Schenkung Ziersch, und des Münchner Stadtmuseums.