Die Ausstellung in München wird von der Landeshauptstadt München finanziert und vom Verein zur Förderung der Stiftung Villa Stuck e.V. unterstützt.
Offenbarung der Liebe. Simeon Solomon und die Präraffaeliten ist die erste große internationale Ausstellung seit hundert Jahren, die dem 1840 geborenen britischen Künstler Simeon Solomon gewidmet ist. Solomon ist einer der Vertreter der Künstlergruppe der Präraffaeliten, die sich um Dante Gabriel Rossetti im London der 1860er und 1870er Jahre formte. Sein Künstlerfreund Edward Burne-Jones, ebenfalls Mitglied der Gruppe, nannte Solomon "den größten Künstler von uns allen: wir sind alle Schulkinder verglichen mit Dir."
In einer umfassenden Retrospektive, die die Zeit von Solomons rasantem Aufstieg zu Ruhm und Anerkennung in den 1870er Jahren bis hin zu einem nicht weniger dramatischen Abstieg umspannt, werden Leben und Werk Solomons, seine Verbindung zur Gruppe der Präraffaeliten und sein Einfluss auf die Kunst des späten 19. Jahrhunderts dargestellt. Neben spektakulären Gemälden wie Habet! (1865), zahlreichen Arbeiten auf Papier sowie Illustrationen von Solomon, die zum Teil seit seinem Tod 1905 nicht mehr zu sehen waren, vereint die Ausstellung Werke von Dante Gabriel Rossetti, Edward Burne-Jones, Edward Poynter und anderen Künstlern aus der Gruppe der Präraffaeliten aus öffentlichen und privaten Sammlungen in aller Welt.
Offenbarung der Liebe. Simeon Solomon und die Präraffaeliten geht vor allem auf zwei Aspekte der Arbeiten Simeon Solomons ein, die neben seinem Einfluss innerhalb der Bewegung der Präraffaeliten für sein Werk stehen: Solomon ist eine der großen Figuren der Entwicklung einer vom jüdischen Erbe geprägten Kunst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und zudem ein Vertreter einer immer offener werdenden homosexuell geprägten Bildsprache.
Die von den Birmingham Museums & Art Gallery organisierte Ausstellung ist in sechs Sektionen gegliedert, die die Kunst Simeon Solomons sowohl chronologisch als auch thematisch beleuchten. Sie nimmt den Besucher mit auf einen Streifzug durch seine vielschichtige und dramatische Künstlerlaufbahn, von den frühen, vom jüdischen Erbe inspirierten Zeichnungen, bis hin zu den späten mystischen Werken, die die Viktorianische Kunst um eine ganz eigene Sehweise bereicherten und die Entwicklung des Symbolismus in Großbritannien beeinflussten. Durch Gemälde und Zeichnungen seiner Zeitgenossen wird Solomons Werk auch in einen breiten Zusammenhang gestellt.
Ausstellungstournee:
Birmingham Museums & Art Gallery: 1. Oktober 2005 - 15. Januar 2006
Museum Villa Stuck, München: 9. März - 18. Juni 2006
Ben Uri Gallery, The London Jewish Museum of Art: 11. September - 26. November 2006
Simeon Solomon
Frühwerk und erste Ausstellungen
Simeon Solomon wurde 1840 im Londoner Stadtteil Bishopgate als jüngstes von acht Kindern in eine orthodoxe jüdische Familie hineingeboren. Sein älterer Bruder Abraham (1823-1862) war bereits Künstler, auch seine Schwester Rebecca (1832-1886) sollte später Künstlerin werden. Solomon zeigte schon früh Talent.
Diese Sektion der Ausstellung dokumentiert Solomons frühes Schaffen von den bemerkenswerten Zeichnungen aus seinem Teenageralter bis zu den ersten öffentlichen Präsentationen seines Werkes in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre. Zahlreiche seiner frühen Werke sind von der jüdischen Kultur und Tradition seiner Familie inspiriert und sind Zeugnisse seines Interesses an Glaube, Andacht und Ritus, das sich durch sein gesamtes Schaffen zieht.
Die Präraffaeliten und frühe Erfolge
Ende 1857, Anfang 1858, machte Solomon die Bekanntschaft Dante Gabriel Rossettis und schloss sich dem Kreis der Präraffaeliten an, die, allen voran Edward Burne-Jones, den geistreichen jungen Simeon bald schätzen lernten. Solomon beteiligte sich an künstlerischen Projekten der Präraffaeliten, deren Interessen in seinem Schaffen dieser Jahre Niederschlag finden, so etwa in den beiden Fassungen von The Painter's Pleasaunce ( Des Malers Wonne ).
Auf Anregung der Brüder Dalziel, - zu dieser Zeit die größte und bekannteste Werkstatt für Holzstiche -, entstanden in der ersten Hälfte der 1860er Jahre Vorlagen für einen Band mit Darstellungen zu Geschichten aus dem Alten Testament, die 1881 in Dalziels' Bible Gallery veröffentlicht wurden. Eine erweiterte Fassung mit dem neuen Titel Art Pictures from the Old Testament erschien 1894. Exemplare beider Ausgaben des Bandes mit Solomons Illustrationen sind in der Ausstellung zu sehen.
Das Ölbild A Young Musician Employed in the Temple Service During the Feast of Tabernacles (Ein junger Musiker beim Tempelgottesdienst zum Stiftshüttenfest) , markiert den Beginn seiner Auseinandersetzung mit einem neuartigen Sujet, das immer wieder in seinen Werken auftauchen wird, nämlich die Beschwörung religiösen Eifers durch eine einzelne andächtige Figur.
Das Schöne
Im Verlauf der 1860er Jahre versuchte sich Solomon allmählich an neuen Stoffen. Im Mittelpunkt zahlreicher seiner Werke aus dieser Periode steht die weibliche Figur. Bilder wie Poetry ( Die Poesie) und Lady in a Chinese Dress ( Dame in einem chinesischen Kleid ) zeigen eine Frau in einem Interieur, das vielfach Vertrautheit mit dem ästhetischen Zeitgeschmack verrät, so etwa das chinesische Gewand, die Keramiken und die Lilie, die in Lady in a Chinese Dress zu sehen sind.
Solomon schuf zudem "ästhetische" Werke, die Figurengruppen in einem Interieur zeigen, so etwa A Youth Relating Tales to Ladies ( Ein Jüngling erzählt Damen Geschichten ) und A Prelude by Bach ( Ein Präludium von Bach ). Beide Werke mit ihren trägen, sich umarmenden Paaren verströmen eine Atmosphäre schläfriger Erotik, die für Solomon typisch ist.
Zahlreiche klassische Gemälde und Aquarelle aus dieser Zeit, in denen Solomon mit dem Motiv der weiblichen Figur in antiker Szenerie arbeitet - oftmals inspiriert an der Figur der Sappho - , bieten ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich das Interesse des Künstlers in dieser Zeit von biblischen auf klassische Stoffe verlagert hatte. Solomons klassische Werke gipfeln in dem Gemälde Habet! , das er 1865 in der Royal Academy of Art ausstellte und das als Solomons bis dahin gelungenstes und bedeutendstes Werk gefeiert wurde.
Die Dudley Gallery und Ritualdarstellungen
Die Dudley Gallery wurde 1865 in London eröffnet und bot Künstlern ein neues Forum für die Ausstellung von Werken fortschrittlicheren Inhalts als denen, die die Royal Academy für gewöhnlich zuließ. Dieser Teil der Ausstellung ist den Ritualdarstellungen und religiösen Bildern gewidmet, die Solomon in den 1860er und 1870er Jahren schuf und die in der Mehrzahl der Fälle erstmals in der Dudley Gallery ausgestellt wurden.
Solomons Ritualdarstellungen zeigen oft junge Männer in der Rolle idealisierter Rabbiner, Priester oder Ministranten. Subtile Farbharmonien verbinden sich in diesen Bildern mit verschiedenen Texturen und erzielen so üppige malerische Wirkung. In seiner vielleicht ungewöhnlichsten Ritualdarstellung mit dem Titel Heliogabalus, High Priest of the Sun and Emperor of Rome, 118-122 AD (Heliogabalus, Hohepriester der Sonne und Kaiser Roms, 118-122 A.D.), zeigt Solomon den altrömischen Kaiser, der sich selbst zum Sonnengott ausrief. Solomons Entscheidung, Bacchus und Heliogabalus auf Gemälden darzustellen, hatte wohl auch persönliche Hintergründe. Heliogabalus und Bacchus' griechisches Gegenstück Dionysos, waren sexuell schwer einzuordnende Figuren: Beide waren bisexuell und wurden mit Transvestismus in Verbindung gebracht. Die verbotene Sexualität, die sich darin andeutete, besaß für Solomon und seinen Kreis ohne Zweifel einen besonderen Reiz.
Visionen der Liebe
Im Jahr 1871 veröffentlichte Solomon ein Prosagedicht mit dem Titel A Vision of Love Revealed in Sleep, das er Edward Burne-Jones widmete. Das Thema der Offenbarung der Liebe blieb auch in Solomons Zeichnungen und Gemälden über die Zeit seiner Arbeit an dem Gedicht hinaus präsent, ja sie zieht sich durch sein gesamtes weiteres Schaffen hindurch. Eine Vielzahl der Werke Solomons ab Mitte der 1860er Jahre sind Variationen über das Thema des männlichen Aktes, die sowohl ihres Stoffes, als auch ihrer persönlichen und unkonventionellen Bearbeitung wegen auf Unverständnis und Aufregung seitens der Kritik stießen. Die verträumte Sinnlichkeit männlicher Figuren etwa in One Dreaming by the Sea ( Träumender am Meer ) und Dawn ( Morgendämmerung ), die beide 1872 in der Dudley Gallery gezeigt wurden, stellten herkömmliche viktorianische Begriffe von Männlichkeit in Frage.
Ab 1869 arbeitete Solomon immer wieder mit Frederick Hollyer zusammen und stellte ihm Werke zur Vervielfältigung im Platindruckverfahren zur Verfügung. Dadurch fanden seine Bilder weite Verbreitung in Homosexuellenkreisen und trugen zu seinem Kultstatus in der Zeit nach seiner Verhaftung im Jahr 1873 bei. Das Aquarell Sacramentum Amoris , ein zutiefst persönliches Bild, bezeichnete Solomon selbst als "das schönste Bild, das ich je gemalt habe".
Die späten Jahre
Im Jahr 1873 wurde Solomon zusammen mit einem weiteren Mann verhaftet und wegen Erregung öffentlichen Anstoßes verurteilt. Die Kunstszene distanzierte sich daraufhin von ihm, er konnte seine Gemälde nicht mehr ausstellen und tat sich schwer, sie zu verkaufen. Zunehmende Verarmung und Alkoholsucht führten dazu, dass er seine letzten Lebensjahren in einem Londoner Arbeitshaus verbrachte, wo er 1905 starb. Obwohl der Skandal seiner Verhaftung seine öffentliche Laufbahn beendete, hörte Solomon nie auf zu arbeiten. Der letzte Teil der Ausstellung ist den Werken aus dieser Zeit gewidmet und bietet die Möglichkeit, seinen Einfluss auf nachfolgende Künstler zu erkennen.
Zu Solomons Spätwerk zählen zahlreiche Darstellungen eines einzelnen Kopfes oder zweier Köpfe dicht nebeneinander, die in Buntstift oder farbiger Kreide ausgeführt sind. Sie personifizieren häufig abstrakte Themen - wie die Nacht, die Liebe und den Tod -, ihre Bildersprache geht in vielen Fällen auf A Vision of Love Revealed in Sleep zurück.
Nach Solomons Tod im August 1905 wurde sein Werk allmählich einer Neubewertung unterzogen. Im Jahr 1906 fanden zwei Gedenkausstellungen statt, eine in der Royal Academy, die andere in der Baillie Gallery, und 1908 veröffentlichte Julia Ellsworth Ford die erste ihm gewidmete Monographie, Simeon Solomon: An Appreciation. Seine bildnerische Fantasie beeinflusste weiterhin Künstler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die seinem Werk vielfach nicht nur von den Sujets her verpflichtet sind. Einer von ihnen war E.R. Hughes ( Night with her Train of Stars / Die Nacht mit ihrer Entourage von Sternen ).
Katalog
Zur Ausstellung ist ein Katalog in englischer Sprache erschienen, herausgegeben von Colin Cruise, mit Beiträgen von Roberto C. Ferrari, Debra N. Mancoff, Victoria Osborne, Elizabeth Prettejohn, Gayle M. Seymour und Frank C. Sharp, 192 Seiten, ca. 135 Farb- und ca. 80 Schwarzweißabbildungen, ISBN 1 85894 311 6