untitled, 1999-2005Jayce Salloum -

everything and nothing and other works from the ongoing project, untitled, 1999-2005, five channel video installation, Canadian Museum of Civilization, Ottawa, 2001, Foto: H. Foster /CMCP (Detail)
everything and nothing and other works from the ongoing project, untitled, 1999-2005, five channel video installation, Canadian Museum of Civilization, Ottawa, 2001, Foto: H. Foster /CMCP (Detail)

Untitled ist eine mehrteilige Videoinstallation, die speziell für die Galerie 6 des Museums Villa Stuck neu konzipiert wurde. In ihr setzt Jayce Salloum seine Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Realitäten fort: Interviews, Gespräche ebenso wie Landschaftsaufnahmen reflektieren nationale, ideologische und geografische Grenzziehungen.

In einer Art lebendigem Archiv untersucht er, welche Form von Freiheit den Menschen an verschiedenen Orten erlaubt ist und wie sich der Zwang zur Flucht, zum Exil, zur Diaspora für den Menschen manifestiert. Jayce Salloum beleuchtet Lebensbedingungen in den Widersprüchen von Kultur, Geschichte, Nation und Weltanschauung.

Mehrere voneinander unabhängige Videos sind auf Monitoren und Projektionen im Raum verteilt. Es entsteht eine Atmosphäre, die zwischen Kollision, Überlagerung, Gleichzeitigkeit und Zusammenspiel der einzelnen Erzählungen changiert und damit die Besucher herausfordert.

Die einzelnen Arbeiten zeigen u.a. einen Dialog mit der ehemaligen libanesischen Untergrundkämpferin Soha Bechara, mit der Salloum in Paris gesprochen hat (everything and nothing). Soha Bechara befand sich nach einem Attentatsversuch zehn Jahre in Gefangenschaft, sechs Jahre davon in Isolationshaft. Salloum stellt keine Fragen über die Gefangenschaft, über die Zeit mit ihren Mithäftlingen: er spricht mit Bechara über ihr Leben nach der Haft, über die Distanz zwischen Beirut und Paris, über das, was sie im Gefängnis gelassen und das, was sie mit nach Paris genommen hat.

Ein weiteres Video in der Installation zeigt Aufnahmen aus dem ehemaligen Jugoslawien (beauty and the east), in denen Migranten und Ansässige, Studenten, Arbeiter und Kulturschaffende ihre Erfahrungen in Bezug zu Ereignissen, Orten und Veränderungen setzen. Gespräche mit Palästinensern (occupied territories u. (as if) beauty never ends ...), die seit 1948 in Flüchtlingslagern im Libanon leben, stehen im Mittelpunkt eines anderen Videos. Es entstehen, so beschreibt es Jayce Salloum, "Geschichten der Orte" und damit "Orte der Geschichten am Querschnitt der Kulturen". Sie erzählen von dem Abstand zwischen "dem, was zurückgelassen wurde und dem, was bleibt".

Jayce Salloum

Das Werk von Jayce Salloum oszilliert zwischen den beiden Polen des ganz Persönlichen oder Lokalen auf der einen und dem Übernationalen auf der anderen Seite. Subjektivität und dialektische Infragestellung bilden seine zentralen Antriebsmomente. Seit 1975 umfasst sein Wirkungsfeld Installationskunst, Photographie, Video, Performance und Geschriebenes, außerdem organisiert er Ausstellungen, leitet Workshops und betreut Kulturprojekte. Durch seine philosophische Beschäftigung mit Medienkunst setzt er sich in seinem Werk kritisch mit der Wahrnehmung gesellschaftlicher Phänomene und politischer Realitäten auseinander.

Salloum hat weltweit Vorträge gehalten und sein Werk an den verschiedensten internationalen Ausstellungsstätten gezeigt, deren Bandbreite von Künstlergalerien und Gemeindezentren bis zu Institutionen wie dem New Yorker Museum of Modern Art, der National Gallery of Canada, dem Künstlerhaus Bethanien in Berlin, dem Centre Pompidou in Paris, dem Rotterdam International Film Festival, dem Caixa Forum in Barcelona, der 8. Biennale von Havana und der Sharjah Biennial 7 reicht.

Seine Texte sind in zahlreichen Zeitschriften erschienen, darunter Third Text, Documents, Framework, Fuse, Felix, Mix, Public, Pubic Culture , und Semiotext(e) . In dem kürzlich erschienenen Band Image and Inscription: An Anthology of Contemporary Canadian Photography (YYZ/Gallery 44 Press, Toronto) ist ein Beitrag seinem Werk gewidmet. Sein jüngster Essay, "sans titre /untitled: the video installation as an active archive", erscheint demnächst in dem Band Projection Migration: Transcultural Documentary Practice (Wallflower Press, London 2007) sowie in der von der Whitechapel Gallery in London herausgegebenen Modern Art Reader Series. In diesem Jahr ist sein Werk auf der 15. Biennale von Sydney sowie in der Ausstellung im Museum Villa Stuck in München zu sehen.